Eigene Historie
Im Februar 2023 wurde die "Sozialwissenschaftliche Aufarbeitungsstudie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Essen von 1958 bis heute" veröffentlicht. 2020 hatte das Bistum Essen diese Studie beim Institut für Praxisforschung und Projektberatung in Auftrag gegeben. Als Grundlage wurden alle Akten und Unterlagen zu den bisher bekannten Missbrauchsfällen im Bistum Essen ausgewertet sowie Interviews mit Betroffenen, kirchlichen Führungskräften und Fachleuten geführt.
Die Studie hat nicht die Einrichtungen der Caritas untersucht, sondern sich vorwiegend mit Fällen sexualisierter Gewalt durch Kleriker in Kirchengemeinden und dem Bischöflichen Generalvikriat befasst. Im Bereich der Caritas haben wir aber auch eine eigene, erschütternde Historie zu dem Thema. Schon vor einigen Jahren waren zahlreiche Fälle sexualisierter und anderer Gewalt im Franz-Sales-Haus in Essen bekannt geworden, die der Träger der Einrichtung umfassend aufgearbeitet hat. Darüber hinaus meldeten sich seit einem Aufruf des Bistums im Jahr 2010 mehrere Personen, die einst im Kinderdorf "Maria in der Drucht" in Duisburg gelebt und dort (sexualisierte) Gewalt erlitten hatten.
Der Caritasverband Duisburg steht im Kontakt mit den Betroffenen. Zu ihrer Unterstützung wurden mehrere Treffen organisiert, welche von der Präventionsbeauftragten des DICV und einer unabhängigen Ansprechperson des Bistums Essen begleitet wurden. In diesem Rahmen wurde u.a. die Antragsstellung zur Anerkennung des Leids bei der UKA (Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen) erläutert. Im Fokus standen aber auch immer die individuellen Erwartungen und Unterstützungsangebote. Die Betroffenen hatten in diesen Gesprächen außerdem die Möglichkeit, über ihr persönliches Schicksal zu sprechen. Es bestehen keinerlei Zweifel an den erhobenen Vorwürfen. Der Zeitraum der Taten erstreckt sich nach jetzigem Kenntnisstand auf die 1960er und 1970er Jahre.
Der Machtmissbrauch der Täter*innen ist verabscheuenswürdig und wir verurteilen diese furchtbaren Straftaten. Sexualisierte Gewalt an Schutzbefohlenen ist ein Verbrechen, das eine institutionelle Aufarbeitung zur Folge haben muss. "Wir sprechen allen Betroffenen - auch denen, die sich bisher nicht gemeldet haben - unser tiefstes Mitgefühl aus und bitten um Entschuldigung für das unermessliche Leid, das ihnen an einem Ort, der eine sichere Heimat hätte sein sollen, zugefügt wurde. Wir können keine Gerechtigkeit herstellen und das Unrecht nicht ungeschehen machen, doch wir sind uns der Verantwortung bewusst und nehmen die Themen "Aufarbeitung" wie auch "Prävention" sehr ernst." (Petra Keysers & Julia Schröder, Vorstand Caritasverband Duisburg).
Es ist unser Anspruch wie auch unsere Verantwortung zu verhindern, dass dieser Teil der Geschichte in Vergessenheit gerät. Der Caritasverband befindet sich deshalb weiterhin im Austausch mit den betroffenen Personen. So kann eine Aufarbeitung erfolgen, die auch in ihrem Sinne ist.
Da das Kinderdorf vor über 40 Jahren geschlossen wurde (1983 Einstellung des Angebots, 1987 Auszug der letzten Kinder), liegen uns viele Informationen nicht mehr vor, die zur schnellen Aufklärung beitragen könnten. Akten zur Einrichtung sind möglicherweise bei einem Brand oder nach Ende der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Der Caritasverband Duisburg hat im Jahr 2024 deshalb einen unabhängigen Fachexperten beauftragt, in Archiven und Chroniken Informationen zum Kinderheim "Maria in der Drucht" zu suchen. Im Januar 2025 hat er den Betroffenen den aktuellen Zwischenstand präsentiert. Seine Recherchen werden voraussichtlich im April 2025 abgeschlossen sein. Auf Basis der Datenlage wird er den betroffenen Personen und dem Verband dann die Möglichkeiten der (wissenschaftlichen) Aufarbeitung aufzeigen. Wir werden an dieser Stelle über die weiteren Schritte berichten.
Welche Präventionsmaßnahmen wir aus absoluter Überzeugung und mit größter Sensibilität verfolgen, können Sie HIER nachlesen.